Blattläuse auf natürliche Weise bekämpfen

Blattläuse gehören zu den häufigsten Schädlingen im Garten. Hobbygärtner sind dann alarmiert und greifen meist sofort zu entsprechenden Pflanzenschutzmitteln. Das muss nicht sein! Unser Experte Dr. Helmut Haardt plädiert sogar dafür, erst einmal gar nichts gegen die Schädlinge zu tun. Warum? Wir haben den Biologen dazu interviewt!

Dr. Helmut Haardt von re-natur ist einer der führenden deutschen Experten für biologischen Pflanzenschutz. Für phlora.de wird er in unregelmäßigen Abständen zeigen, wie man im Garten ohne Chemie gegen Schädlinge vorgeht und wie man die Natur dabei unterstützen kann, sich selbst zu helfen. In Sachen „Blattläuse“ plädiert er zum Beispiel für:

 

Mehr Geduld mit den Schädlingen!

 

Dr. Haardt, Blattläuse lösen bei Hobbygärtnern immer Großalarm aus. Was ist eigentlich so schlimm an den Insekten?
Blattläuse leben meist in dichten Kolonien an den Triebspitzen oder an den Blattunterseiten.  Mit ihren Mundwerkzeugen, die in Ruhestellung unter dem Körper anliegen, besaugen sie den Saftstrom, das Phloem.

Dr. Helmut Haardt ist Experte für biologischen Pflanzenschutz

Dr. Helmut Haardt ist Experte für biologischen Pflanzenschutz. Für phlora.de wird er über die faszinierende Welt der Nützlinge und Schädlinge berichten.

Häufig entstehen infolge ihrer Saugtätigkeit, bei der ein giftiger Speichel abgegeben wird, Blattkräuselungen und Deformierungen. Außerdem scheiden sie den als Honigtau bezeichneten zuckerhaltigen Kot aus, der auf befallenen Pflanzen einen klebrigen Belag bildet, auf dem sich später gern Schwärzepilze ansiedeln.
Aber nicht nur durch Verschmutzung und Saftentzug schädigen Blattläuse. Sie übertragen auch Pflanzenviren wie das Das Tabak-Mosaik-Virus (TBV), es zählt zu den häufigsten Virosen an Pflanzen. Es verursacht Verkümmerungen und ein typisches – daher der Namen – mosaikartiges Erscheinungsbild der Blätter. Neben Tomaten kommt es an vielen anderen Kulturpflanzen vor. Auch das Gurkenmosaikvirus (CMV) wird häufig durch Blattläuse übertragen.

Und trotzdem soll man nicht sofort gegen Blattläuse vorgehen?
Die im Frühjahr erscheinenden Blattläuse sind noch frei von Pflanzenviren. Sie nehmen diese erst während des Sommers auf. Wichtig ist: Blattläuse befallen unsere Pflanzen genau zu dem Zeitpunkt, wenn die ersten Marienkäferlarven schlüpfen. Auch andere Tiere sind auf die Läuse als Eiweißquelle angewiesen. Wenn jetzt beim ersten Blattlausalarm sofort ein Pflanzenschutzmittel gesprüht wird, leiden nicht nur die Läuse.

Als Pflanzenfreund sollte man den Befall zunächst tolerieren, auch wenn es schwer fällt. Denn wenn die Schädlinge sofort weggespritzt werden, entwickeln sich auch die Nützlinge nicht. Es dauert ein wenig, bis sich die Feinde der Blattlaus wie Florfliege, Schwebwespe und Marienkäfer im Bestand an die Menge der Blattläuse anpassen. Aber die Geduld lohnt sich: Es zeigt sich, dass die „Guten“, also die Nützlinge immer gewinnen, wenn man ihnen nur genug Zeit gibt.

Außerdem sollte man wissen, dass Blattläuse nach dem ersten Befall den Wirt wechseln, d. h. sie ziehen auf andere Pflanzen um. So klettern sie dann zum Beispiel auf Baumrinden hoch und leben im gesamten übrigen Jahr dort. Die zuvor befallen Rosen können sich so schnell wieder regenerieren.

 

Blattläuse bei der Arbeit | © Fotolia

Blattläuse bei der Arbeit | © Fotolia

Kurzinfo Blattläuse

Blattläuse gehören zusammen mit den Schildläusen, Mottenschildläusen, Blattflöhen, Zikaden und der Weißen Fliege zu den Pflanzensaugern (Homopteren). Weltweit sind ca. 3000 Blattlaus-Arten bekannt. Damit stellen sie die artenreichste Schädlingsfamilie dar. In Deutschland sind es etwa 800, von denen 60 Arten häufig an unseren Kulturpflanzen anzutreffen sind.

 

An welchem Punkt sollte man dann doch eingreifen?
Es ist in Gewächshäusern zum Beispiel recht schwierig, auf die passenden Nützlinge zu warten. Hier würde ich direkt ein wenig mit biologischem Pflanzenschutz nachhelfen. Man bringt dann Schlupfwespen im Gewächshaus aus oder räuberische Insekten wie eben die Marienkäferlarve. In geschlossenen Räumen wie Gewächshäusern ist die Wirkung von biologischen Mitteln ausgezeichnet.

Allerdings muss man auch wieder sagen, ein wenig Geduld braucht man schon. Wenn ich nach drei Tagen immer noch viele Läuse sehe und dann zur chemischen Keule greife, habe ich das Prinzip vom biologischen Pflanzenschutz nicht verstanden. Erst ist ein Befall von Schädlingen da, die Nützlinge bringen sich in Stellung und vermehren sich dann im Laufe der Zeit und behaupten sich.

Hilft mir der biologische Pflanzenschutz auch im Garten, also unter freiem Himmel?
Ja, besonders die Larven der Florfliege lassen sich im Freiland ab Mai gut einsetzen, da sie weniger Ansprüche an hohe Temperaturen stellen. Im übrigen eignen sich alle Arten von nützlichen Nematoden. Diese sind auch im Freiland gegen Dickmaulrüssler, Engerlinge, Nacktschnecken und eine Reihe weiterer Schädlinge sehr erfolgreich.

Erzählen Sie uns noch etwas über die faszinierenden Insekten. Wie leben und vermehren sich Blattläuse?
Der Vermehrungszyklus von Blattläusen ist ungewöhnlich, aber effektiv. Im Sommer vermehren sich Blattläuse ungeschlechtlich. Die Sommerweibchen bringen täglich drei bis sechs weibliche Junge zur Welt. Daher können sich Blattläuse sehr schnell vermehren. Geflügelte Tiere bilden sich bei hohen Populationsdichten, um neue Pflanzen zu besiedeln, und zum Herbst, wenn wieder Geschlechtstiere entstehen, deren Weibchen Eier legen. Dadurch wird eine geschlechtliche Regeneration möglich. Viele Arten vollführen gleichzeitig einen Wirtswechsel zu anderen Pflanzen, häufig hin zu Gehölzen, an denen die Eiablage stattfindet. Dieser vollständige Generationszyklus wird als Holozyclie bezeichnet. In Gewächshäusern, Wintergärten und Blumenfenstern können Blattläuse auch anholozyklisch, also ohne Einschaltung eines Eistadiums überwintern.

 

Die Larven des Marienkäfers ernähren sich von Blattläusen | © Fotolia

Die Larven des Marienkäfers ernähren sich von Blattläusen | © Fotolia

Die natürlichen Feinde der Blattlaus

Die nützlichen Gegenspieler von Blattläusen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Räuber (Prädatoren) und Schlupfwespen (Parasitoiden). Die räuberischen Nützlinge sind meist polyphag (auf vielen Wirten aktiv), Parasitoiden haben dagegen oft ein enges Beutespektrum, sind also oligophag. Eine Kombination von beiden ist bei der Blattlausbekämpfung üblich, da Prädatoren ihre Beute sofort töten und dadurch über eine gute Anfangswirkung verfügen. Parasitoiden töten erst nach 6 bis 10 Tagen, können sich aber aufgrund einer kürzeren Generationszeit schneller vermehren.

 

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4 Antworten auf Blattläuse auf natürliche Weise bekämpfen

  1. Beatrix Alfs 17. Mai 2013 at 11:50 #

    Das ist mir schon klar, dass man den nützlichen Insekten die Möglichkeit geben muss, gegen die schädlichen vorzugehen. Nur, wenn die Pflanze ihnen die Zeit nicht gibt, was dann? Es haut einfach nicht immer hin und ich versuche schon mit allen Tricks auf schädliche Mittel zu verzichten.

    • Monika 17. Mai 2013 at 12:02 #

      Ja, die Pflanzen sind manchmal schon ganz schön strapaziert. Wenn ich die Geduld verliere, versuche ich noch die „Wasserstrahl-Methode“: Dabei wird die befallene Pflanze (meist sind es bei mir die Rosenknospen) mit einem gezielten Wasserstrahl mit einem Tropfen Spülmittel darin bespritzt. Die Läuse werden sozusagen einfach abgespült. Wahrscheinlich wandern sie dann in der Nacht wieder auf das Gewächs… Aber zumindest hat die gebeutelte Pflanze ein wenig Zeit zum Regenerieren.

  2. Helmut Haardt 17. Mai 2013 at 14:20 #

    Hallo,

    ja, die Wasserstrahlmethode hilft kurzfristig. Nur ist es leider so, dass die Nützlinge hierbei mehr geschädigt werden als die Schädlinge. So sind die ersten, durch Schlupfwespen parasitierte,, Blattläuse diejenigen, die es nicht mehr schaffen, am nächsten Tag wieder auf der Pflanze zu sein, weil ihre Fitness durch die Parasitierung geringer ist. Wir selektieren also durch diese Maßnahme und stören den Aufbau der Nützlingspopulationen, leider. Mir macht es immer Freude, in dieser Jahreszeit an meinen Rosen zu beobachten, wie sich die natürlichen Gegenspieler ansiedeln und für unsere Pflanzen arbeiten.

    • Monika 17. Mai 2013 at 14:40 #

      Vielen Dank Helmut, das wußte ich noch nicht. Also doch noch viel mehr Geduld aufbringen, locker bleiben und auf die Nützlinge vertrauen… Ich probier das in diesem Jahr aus!

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